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Dieses berühmte Zitat aus der Rede von Otto Wels vom 23. März 1933 ist in die Geschichte eingegangen. Mit dem sogenannten Ermächtigungsgesetz sicherte sich der erst seit knapp zwei Monaten amtierende Reichskanzler Adolf Hitler diktatorische Vollmachten. Der offizielle Titel des Gesetzes „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ verschleierte die wahren Absichten der Nazis. Der Reichstag wurde mit dem Ermächtigungsgesetz im Wesentlichen komplett entmachtet, die Reichsregierung war fortan keiner parlamentarischen Kontrolle mehr unterworfen. Außer Hitlers NSDAP erteilten auch die anderen Fraktionen dem verhängnisvollen Gesetz im Reichstag ihre Zustimmung – nur die SPD-Fraktion stimmte geschlossen dagegen! Ein stolzer Tag in der Geschichte der Sozialdemokratie, wenn auch ein sehr trauriger und schrecklicher Tag für die Demokratie in Deutschland insgesamt.

Otto Wels begründete mit einer mutigen Rede die Ablehnung der SPD-Fraktion. Er prangerte die brutale Verfolgung der politischen Gegner durch die Nazis offen an. Wels Rede war für lange Zeit die letzte freie Rede in einem deutschen Parlament. Nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes brauchte Hitler nämlich kein Parlament mehr, und es gab auch keine Parlamentsdebatten mehr. Diese extreme Macht nutzte er in den folgenden 12 Jahren in schrecklicher Weise mit katastrophalen Folgen für Deutschland, Europa und die Welt. Millionen von Menschen mussten Hitlers menschenverachtende Diktatur mit ihrem Leben bezahlen.

Das mutige Votum der SPD gegen das Ermächtigungsgesetz ist umso höher zu werten, da die Abgeordneten von der SA vor dem Sitzungssaal und im Saal massiv bedroht und eingeschüchtert wurden. Zudem waren bereits zahlreiche sozialdemokratische Abgeordnete verhaftet worden und saßen aus politischen Gründen in den neugeschaffenen Konzentrationslagern oder in Gefängnissen ein. 444 Abgeordnete stimmten unter diesen bedrückenden Umständen für das Gesetz und damit für die eigene Entmachtung. Nur die 94 anwesenden Abgeordneten der SPD hielten diesem massiven Druck stand und lehnten ab. Das Ermächtigungsgesetz wurde leider trotzdem angenommen, da es die notwendige Zweidrittelmehrheit erreichte. Hierfür hatten die Nazis nicht nur durch Einschüchterung, sondern auch durch Geschäftsordnungstricks gesorgt. Zudem hatten die Nazis die Mandate der KPD-Abgeordneten einfach aberkannt und die KPD-Abgeordneten zudem zum größten Teil bereits verhaftet und in Konzentrationslager eingesperrt, weshalb die KPD-Fraktion gar nicht an der Abstimmung teilnehmen konnte.

Die Sozialdemokraten setzten am 23. März 1933 ein wichtiges Zeichen für Demokratie, Parlamentarismus, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit! Ist es heute noch wichtig, sich daran zu erinnern? In einer Zeit, in der rechtspopulistische Bewegungen weltweit im Aufwind sind und in vielen Ländern rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien offen in Frage gestellt werden, hat Wels Rede wieder eine erschreckende Aktualität gewonnen. Weiterhin sollte nicht vergessen werden, dass die Sozialdemokraten, die vor den Nazis fliehen mussten, auch deswegen überleben konnten, weil andere Länder sie auf ihrer Flucht aufnahmen. Das Eintreten für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie die Hilfe für politisch Verfolgte bleibt deshalb für die SPD ein entscheidender Grundwert und eine ständige Verpflichtung.