Der 8. Mai 1945 war ein welthistorischer Einschnitt. In Europa endete an diesem besonderen Tag der Zweite Weltkrieg. Kein Krieg hat jemals so viele Opfer gekostet und so unendlich viel Leid hervorgerufen. In Asien ging der Zweite Weltkrieg sogar noch um einige Monate länger. Sehr viele Familien trauerten um  Angehörige, die den entsetzlichen Krieg nicht überlebt hatten.

Für Deutschland endete der von Adolf Hitler begonnene Zweite Weltkrieg mit einer vollständigen militärischen Niederlage sowie einem politischen, finanziellen und moralischen Bankrott. Die beispiellosen Verbrechen der NS-Diktatur, insbesondere der staatlich organisierte Massenmord an der jüdischen Bevölkerung Europas, machen bis heute fassungslos. Der Terror und die blutige Gewaltherrschaft der Nazis richteten sich gegen viele überfallene Länder und verschiedene Bevölkerungsgruppen, die aus rassischen oder politischen Gründen verfolgt und ermordet wurden. In den letzten Wochen und Monaten des Krieges richtete sich die Menschenverachtung der Nazis dann vor allem  gegen das eigene Volk. Hitler gab diesem die Schuld an der sich abzeichnenenden Niederlage – nicht etwa dem eigenen Größenwahn oder seinem militärischen Dilettantismus. In seinem Testament rechnete Hitler mit dem deutschen Volk ab. Dieses hatte seiner Meinung nach keine Existenzberechtigung mehr. Für den Diktator zählte nur das Recht des Stärkeren. Und das deutsche Volk hatte sich Hitlers Meinung nach als zu schwach erwiesen.

Für das deutsche Volk war der 8. Mai 1945 nicht der Untergang, sondern das Datum markierte im Nachhinein die Chance auf einen Neuanfang. Angesichts der Vielzahl der monströsen Verbrechen im deutschen Namen war es eine unverdiente Chance. Doch wurden die Deutschen im Kalten Krieg zwischen Ost und West bald von beiden Seiten gebraucht und umworben. Im westlichen Teil des Landes entstand ab 1949 eine stabile Demokratie. Wirtschaftlich ging es den Westdeutschen schon überraschend bald sehr gut. Auch Flüchtlinge aus der DDR sowie aus den früheren deutschen Ostgebieten, die durch Hitlers Zweiten Weltkrieg verloren gegangen waren, fanden im Wirtschaftswunder ein Leben im Wohlstand. Mit der Wiedervereinigung 1990 wurde nun das ganze Deutschland eine Demokratie, nicht mehr nur der Westteil des Landes. Doch bleibt es wichtig, den 8. Mai 1945 in Erinnerung zu behalten. Dieser markierte den Endpunkt für die menschenverachtende NS-Diktatur. Der 8. Mai 1945 war damit ein sehr guter Tag für die Welt und die Voraussetzung für eine friedliche und demokratische Entwicklung in Deutschland sowie auch die europäische Zusammenarbeit und Einigung.

Damit könnte dieser Artikel enden, wenn 2022 nicht ein besonderes Jahr wäre. So war der 8. Mai 1945 vor diesem Jahr ein historisches Datum aus einer scheinbar längst vergangenen Zeit. Es war wichtig, sich an dieses Datum zu erinnern, doch es war gefühlt fern. Der Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine bringt einem das Datum jedoch sehr nah. Es gibt wieder einen Krieg in Europa mit vielen Toten und Verwundeten und Millionen von Flüchtlingen. Die schrecklichen Bilder zerstörter Städte wie in Mariupol und ermordeter Zivilisten wie in Butscha sind nicht etwa aus dem Jahr 1943 oder 1944, sondern von heute. Wie nun damit umgehen? Wie nun genau der angegriffenen Ukraine helfen? Darauf gibt es nicht wirklich einfache Antworten, viel ist zu bedenken und in Kauf zu nehmen. Doch hat sich in den letzten schrecklichen Monaten seit dem 24. Februar 2022 erneut gezeigt, dass Frieden, Demokratie, Völkerrecht und Menschenrechte hohe, aber stets verletzliche Güter sind. Wenn sie nicht mehr gelten, sondern mit Füßen getreten werden und nur noch das Recht des Stärkeren gilt, dann ist kein Mensch mehr sicher. Die SPD tritt deshalb dafür ein, dass nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern jeder Mensch und jedes Land Rechte hat, die andere zu respektieren haben. Hierfür tritt die SPD seit anderthalb Jahrhunderten ein. Diese Werte haben nichts von ihrer Bedeutung und Aktualität verloren.

© Dr. Alexander Koch