Neben den Kosten wurde in der Untersuchung auch der volkswirtschaftliche Nutzen ermittelt. Wesentliche Faktoren sind die Reisezeitdifferenz zwischen Individualverkehr (PKW und sonstige Verkehrsmittel) und öffentlichem Personennahverkehr, die Ersparnis an Betriebskosten im Individualverkehr und schließlich auch der nicht zu vernachlässigenden Faktor der Einsparung an Schadstoffbelastungen. Auch die Auswirkungen auf das Unfallaufkommen und die dadurch entstehenden Schäden wurde berücksichtigt.

Soweit es die Reisezeitdifferenz betrifft, krankt das Gutachten schon daran, dass es den Zeitaufwand, für den Zubringerverkehr nicht berücksichtigt. Erst auf Nachfrage der SPD-Fraktion wurden vorsichtige, aber ungesicherte Schätzungen von 10-15 Min. vorgenommen, die zu der geschätzten Fahrzeit mit der Bahn von bis zu 45 Minuten (!) hinzukommen. Man muss daran erinnern, dass die Straßenbahn am Ortsrand geplant ist und daher von der Mehrzahl der Bürger nur unter großem Aufwand zu erreichen ist. Insbesondere Ältere und behinderte Mitbürger werden hier an ihre Grenzen geführt.

Soweit es die Betriebskosten des Pkw-Verkehrs betrifft, ist trotz Nachfrage nicht ausreichend geklärt, ob in den Betriebskosten ein Anteil an Kosten, die auch dann anfallen, wenn ein Fahrzeug nicht benutzt wird, enthalten sind. Hier kommt es alleine auf die Definition der „reinen Betriebskosten“ an.
Schließlich, und als wesentlicher Punkt wurde auf Befragen der SPD-Fraktion eingeräumt, dass in der geschätzten Einsparung an Schadstoffemissionen alleine auf die ebenso geschätzte Reduzierung des Pkw-Aufkommens abgestellt wurde. Die durch den Betrieb der Straßenbahn anfallenden Emissionen wurden hingegen nicht berücksichtigt. Man muss sich vor Augen halten, dass die Straßenbahn nicht mit Luft, sondern mit Strom betrieben wird. Dieser Strom muss produziert werden. Der Ausstieg aus der Kernenergie, auch wenn die CDU Landesregierung dies in Bruderschaft mit den Energieerzeugern immer wieder versucht hinauszuzögern, steht bevor. Ausreichende saubere Alternativenergien stehen derzeit nicht ausreichend zur Verfügung. Die Emissionsbelastung durch die klassische Stromherstellung, ist mithin ein wesentlicher Faktor um die ökologische Komponente der Straßenbahn einschätzen zu können.

Trotz all dieser Unwägbarkeiten und der unvollständigen Ermittlungen kommt die Kosten-Nutzen-Untersuchung für die Variante 1 auf einen Nutzen-Kosten-Indikator von 1,45 und für die Variante 2 einen Nutzen-Kosten-Indikator von 1,54. Dazu muss man wissen, dass ein Projekt als volkswirtschaftlich sinnvoll gilt, wenn der Nutzen-Kosten-Faktor 1.0 überschritten wird.
Die Unsinnigkeit der Untersuchung, die immerhin Kosten von ca. 100.000 € verursacht hat, die allerdings nach mündlichen Zusagen nicht von der Gemeinde zu tragen sind, ergibt sich aus einem noch viel gravierenderen Umstand.

Die gesamte Untersuchung basiert auf standardisierten Rechnungsmodellen, die von den zuständigen Fachministerien vorgegeben werden. Die untersuchenden Gutachter sind hieran zwingend gebunden. Es besteht kein Spielraum, etwa um das konkrete Fahrverhalten der Einwohner, Besonderheiten der Stadt und allgemeine regionale und strukturelle Besonderheiten zu berücksichtigen.
Das bedeutet, dass die gesamte Nutzen-Kosten-Untersuchung auf einem mathematischen Rechenmodell basiert und gerade nicht auf einer konkreten Untersuchung der Auswirkungen des Straßenbahnprojektes auf die Stadt Weiterstadt.
Die gesamten bisherigen Nutzen-Kosten-Untersuchungen sind daher nichts anderes als eine Modell(Bahn)-Rechnung. Aus diesem Grund ist die SPD Fraktion nicht dazu bereit, ein Projekt zu unterstützen, das angesichts der mehr als überspannten Finanzlage der Stadt Weiterstadt auf Kosten dringender benötigter sozialer Projekte auf Biegen und Brechen durchgesetzt werden soll.

Zudem wird der Nutzen einer Straßenbahn in der einzig möglichen Straßenführung (eine Führung durch die Darmstädter Straße – genehmigungsrechtlich ohnehin nicht möglich) bezweifelt. Die bisherigen Buslinien nach Darmstadt fallen weitgehend weg. Der Zubringerverkehr ist mit weiteren Wartezeiten verbunden. Insbesondere das dadurch erforderliche Umsteigen halten wir unter Berücksichtigung der Belastungen für ältere und behinderte Mitbürger für schlicht unzumutbar. Stattdessen sollte man sich eher darüber Gedanken machen, den bisherigen Busverkehr auf andere Fahrstrecken, warum nicht unter teilweiser Verwendung der geplanten Straßenführung für die Straßenbahn umzulenken und Kosten in die Nutzung umweltfreundlicher Energiequellen für den Busverkehr zu investieren. Dies halten wir für eine lohnende Investition in die Zukunft.

Für die geplante Trasse werden im Gewerbegebiet West wertvolle Flächen  planerisch freigehalten. Nächstes Jahr sind weitere Grundstücksverkäufe im Gewerbegebiet West an Investoren geplant. Wenn die Gewerbeflächen entlang dieser Trasse erst einmal verkauft sind, haben diese Straßenbahnflächen kaum noch Wert. Sobald die Entscheidung gegen die Straßenbahn gefallen ist, können die Flächen neu geordnet und vermarktet werden – hier ist ein Millionenbetrag für die Stadtkasse zu erwirtschaften.
Daher gilt es, endlich eine Entscheidung im Bezug auf die Straßenbahn herbeizuführen, die sich rein an gesellschaftlichen, finanziellen und städtebaulichen Gesichtspunkten orientiert.
Eine ideologische Diskussion über den noch nicht einmal genau feststellbaren volkswirtschaftlichen Nutzen und die unklare Finanzierung der Straßenbahn hält die SPD Fraktion für fatal und für die Stadt Weiterstadt nicht tragbar. RE, BG, MD